When shit happens…
Ich kann an dieser Stelle keinen Nachruf auf unseren Kameraden Philipp „Pippo“ Kendler verfassen. Dazu weiß ich zu wenig aus seinem Leben. Ich kann aber erzählen, wie ich ihn in den letzten vier Jahren im Kreise unserer Bergrettungs-Ortsstelle erleben durfte.
Philipp kam im Herbst 2016 zu uns, um sich um die Aufnahme in den Bergrettungsdienst zu bewerben. Auf die Frage nach seiner Motivation erklärte er, dass er seine Zeit und seine Energie jenen zur Verfügung stellen wolle, die weniger Glück gehabt hätten (als er selbst). Den Hinweis, dass in der Bergrettung nur der Eintritt und der Austritt freiwillig erfolgen würden, dazwischen aber im Wesentlichen Verpflichtungen liegen würden, quittierte er mit seinem bekannt breiten Lächeln.
Eine der ersten Gemeinschaftstouren, an denen er teilnahm, war eine Skitour auf den Grundschartner. Eine Stunde Schier tragen, dann Aufstieg in knüppelhart gefrorenem Terrain, und als Draufgabe dann unglaubliche Stollenbildung aufgrund einer angefeuchteten Neuschneeauflage auf den letzten 400 Höhenmetern. Zum Teil konnten wir die Schier kaum noch anheben. Spätestens da war uns klar, Philipp – ab sofort Pippo – konnte nichts abschrecken.
Pippos weitere Karriere in der Bergrettung war geprägt von bedingungsloser Hilfsbereitschaft. Sätze wie: …da kann ich nicht… oder …such dir bitte einen anderen… waren nicht Teil seines Sprachrepertoires. Dabei hat er sich nie in den Vordergrund gedrängt (das wird spätestens beim Studium von Fotos ersichtlich). Pippo war einer jenen jungen Burschen, die mich trotz Klimakrise, Rechtsruck und zuletzt Pandemie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken ließen. Wie kann es jemand schaffen, nie schlecht gelaunt zu sein?
Auf gemeinsamen Schitouren hat er uns immer wieder ins Erstaunen versetzt. Bärenstark und ausdauernd im Aufstieg, verschwenderisch in der Abfahrt. Pippo zauberte, dort wo Otto Normalabfahrer 17 Schwünge benötigt, maximal drei Schwünge in den Hang. Dabei hatte ich öfters den Eindruck, dass er dabei mehr in der Luft als am Boden war. Pippo hatte es echt drauf.
Am 28.3. wurde Pippo an der Brennerspitze, unmittelbar unterhalb des Gipfels, von einem „trockenen Schneebrett“ erfasst und über eine Fließlänge von ca. 1000m mitgerissen. Trotz ausgelöstem und entfaltetem Airbag wurde er totalverschüttet. Am 6.4. erlag er in der Klinik Innsbruck den erlittenen Schädigungen.
Das Klappern seiner Holzgaloschen, wenn er zu einem Rettungseinsatz in den Gerätraum eilte, wird uns noch lange in den Ohren klingen. Und über den kolossalen Sonnenbrand, den er sich bei einem Frühjahrsausflug zum Piz Kesch zugezogen hatte, werden wir noch lange sprechen.
Wir denken ja, er schaut auf uns oba, und zaubert jeden Tag eine coole Linie in den frischen Pulverschnee.
Üblicherweise treten wir Bergretter*innen an, um anderen Menschen Hilfe zukommen zu lassen. Jetzt stehen wir selbst etwas hilflos da, und fragen uns immer, warum es im Leben kein Punktekonto gibt. Pippos Punktekonto wäre prall mit Bonuspunkten gefüllt.